Gerichte können einen Antrag auf Terminsaufhebung auch dann ablehnen, wenn ein beteiligter Rechtsanwalt aufgrund von Vorerkrankungen die Risiken einer Corona-Infektion in besonderem Maße vermeiden muss und den Termin deshalb nicht wahrnehmen kann. Bestehen die entsprechenden Einschränkungen langfristig, ist es der Partei zumutbar, den Termin entweder durch einen anderen Anwalt als Vertreter wahrnehmen zu lassen oder sogar den Anwalt zu wechseln. Dies hat das OLG Karlsruhe (06.05.2021 – 9 W 25/21) entschieden.
Der in einem Zivilprozess für die Beklagte tätige Rechtsanwalt hatte um die Aufhebung eines anberaumten Ortstermins mit einem Sachverständigen gebeten, bei dem die Lüftungsanlage des streitigen Pachtobjekts durch einen Sachverständigen untersucht werden sollte. Der Beklagtenvertreter teilte mit, er könne an dem Ortstermin in einem geschlossenen Raum nicht teilnehmen. Aufgrund bestimmter, näher beschriebener Vorerkrankungen stelle dies für ihn ein gesundheitlich nicht kalkulierbares Risiko dar. Für die Durchführung des Ortstermins stehe er erst wieder zur Verfügung, wenn sich das Pandemiegeschehen „nicht mehr exponentiell entwickelt“. Der zuständige Richter traf daraufhin bestimmte Anordnungen für den Ortstermin (Mindestabstand, Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, Lüftung der Räume etc.), lehnte aber eine Aufhebung des Termins ab. Die Beklagte lehnte den Richter daraufhin wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dieser habe die besonderen Risiken einer Corona-Infektion für den Prozessbevollmächtigten nicht berücksichtigt. Die Maßnahme komme für den Anwalt aufgrund seiner vielfältigen Vorerkrankungen während der Corona-Pandemie einem Berufsverbot gleich.
Das OLG Karlsruhe lehnte den Befangenheitsantrag – wie schon das Landgericht in der Vorinstanz – ab. Das Gericht habe den Verlegungsantrag in nachvollziehbarer Weise abgelehnt. Es sei nicht absehbar, wie lange der Beklagtenvertreter im Hinblick auf die Corona-Pandemie aufgrund der geschilderten Einschränkungen nicht zur Verfügung stehe. Es sei zwar nachvollziehbar, dass er auf ärztlichen Rat in besonderem Maße darauf angewiesen sei, die Risiken einer Corona-Infektion zu vermeiden. Die Wahrnehmung des Termins wäre jedoch durch einen anderen Anwalt – sei es als Vertreter oder aufgrund eines Anwaltswechsels – möglich gewesen. Eine Partei müsse zwar im Regelfall die Möglichkeit haben, den Anwalt des eigenen Vertrauens mit der Wahrung ihrer Rechte zu betrauen. Dies gelte aber nicht, wenn dieser langfristig, auf nicht absehbare Zeit, an der Teilnahme an einem gerichtlichen Termin gehindert sei. Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters begründe dies auch kein „Berufsverbot“. Wenn ein Rechtsanwalt ein Mandat annehme, sei er verpflichtet, die damit üblicherweise verknüpften Tätigkeiten auszuführen, insbesondere an Gerichtsterminen teilzunehmen. Könne der Anwalt Teile der ihm übertragenen anwaltlichen Aufgaben nicht wahrnehmen, müsse ein anderer Anwalt für den Mandanten tätig werden.
Auch das in der Beschwerdebegründung Anfang März 2021 vorgebrachte Argument, der Ortstermin müsse nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden, da der Beklagtenvertreter geimpft werden könne, überzeugte das OLG Karlsruhe nicht. Jedenfalls zu dem Zeitpunkt, als das Gericht die Terminsverlegung abgelehnt habe, habe keine konkrete Aussicht bestanden, wann der Prozessbevollmächtigte wieder zur Teilnahme an einem Ortstermin in der Lage sein würde.
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Die Gerichte sind in der Lage, je nach Pandemiegeschehen Verhandlungstermine unter Anordnung angemessener Schutzmaßnahmen auch als Präsenztermine durchzuführen. Ist Rechtsanwälten aufgrund bestehender Vorerkrankungen die Wahrnehmung von Terminen dennoch nicht zumutbar, kann dies kein Aufschieben von Terminen auf unbestimmte Zeit rechtfertigen. Dies käme einem „Stillstand der Rechtspflege“ gleich. Die Beauftragung eines Vertreters oder gar ein Anwaltswechsel sind in einer solchen Situation zumutbar.